concret

Christoph Breuer | Anja Schrey | Stefanie von Schroeter | Ignacio Uriarte | Stefan Wissel

 

Home, sweet home

Es ist 2 Uhr nachts, ich kann nicht schlafen. Die Hauswand, sorgfältig aus rotem Ziegelsteinen gebaut, scheint aus Papier zu sein, deutlich nämlich höre ich Stimmen vom Fußweg, arabische Sprache wohl, plötzlich mehrere Autos, dann ein Schuss – tiefstes Berlin-Wedding halt. Es wird ruhiger, ich drehe mich in meinem schweißdurchtränkten Bett um und versuche endlich einzuschlummern. Rückblende: Am Nachmittag scheint der Nachbar im absoluten Arbeitsrausch zu sein, das Klimpern seiner Schreibmaschine – wer hat denn heute noch eine Schreibmaschine?! – dröhnt in meinen geplagten Ohren. Mal langsamer, mal schneller anschlagend erinnert der fast schon musikalisch-konkrete Sound der Maschine zuweilen an das Schneiden einer Vorgartenhecke. Ein gebrauchter Tag beginnt so endgültig seinen Lauf, der schließlich, etwa 11 Stunden später, in einem Alptraum mündet: Ein luftig-zartes, malerisch verfremdetes Kleid läuft mit einem Jungen, der sich vorsorglich mit einem Helm geschützt und zugleich getarnt hat, nach dem Startschuss um die Wette, und dabei auf einen Abgrund zu. Kurz bevor Kleid und Junge mit Helm abzustürzen drohen, wache ich auf, man kennt das … Entnervt geh ich also zum Zähneputzen ins Badezimmer – und der nächste Tiefschlag lässt nicht lange auf sich warten: Mein Zahnputzbecher begrüßt mich angekettet, gleichsam in U-Haft. Guten Morgen liebe Sorgen ….

Raimar Stange